SAP S/4HANA-Umstieg

Wege zum Clean Core:
Cloud-Strategie gibt die Richtung vor

„Was soll mit unseren Eigenentwicklungen geschehen?“, fragen sich viele SAP-Kunden, die vor der Migration auf S/4HANA stehen. Unser Rat lautet: Es lohnt sich in jedem Fall, in einen Clean Core zu investieren. Welcher Ansatz gewählt werden sollte, hängt von der individuellen Zielsetzung und Cloud-Strategie ab.

Lange Zeit haben viele SAP-Anwenderunternehmen ihr SAP ERP-System nicht nur zur Abbildung von Standardprozessen und -funktionen, sondern auch als Entwicklungsplattform genutzt. So bieten die in ABAP verfügbaren User-/Customer-Exits, das Enhancement-Framework, BADIs (Business Add-Ins), BAPIs (Business Application Programming Interfaces), Modifikationen etc. umfangreiche Erweiterungsmöglichkeiten, um den SAP-Standard großzügig individuell auszugestalten – sehr einfach und integriert mit Zugriff auf alle verfügbaren SAP-Daten.

Dies geschieht in der Regel nicht aus Spaß am Programmieren, sondern aus der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit heraus, die Unique Selling Proposition oder den individuellen Wettbewerbsvorteil über maßgeschneiderte digitale Prozesse abzubilden oder auszubauen. So haben sich im Lauf der Zeit meist viele tausende Zeilen Custom Code, kundeneigene Objekte, Modifikationen – und damit auch zahlreiche technische Leichen angesammelt. Zur ABAP-Realität gehört nämlich auch, dass altes, überarbeitetes und obsoletes Coding sehr selten gelöscht, sondern in aller Regel über Jahre mitgeschleppt wird.

So stehen die meisten SAP-Anwenderunternehmen jetzt vor der Herausforderung, ein für die eigenen Anforderungen optimiertes und ausgebautes SAP ERP-System auf S/4HANA zu migrieren. Sie fragen sich, ob und in welchem Umfang ihr System um kundenindividuelle Erweiterungen bereinigt werden sollte. Aus Expertensicht ist entscheidend, welche Cloud-Strategie ein Kunde beim Umstieg auf die neue Business Suite von SAP favorisiert.

Welche Rolle spielt die SAP Business Technology Platform (BTP)?

Aktuell prallen in der deutschen SAP-Community zwei Welten aufeinander, wie auch die DSAG bestätigt. Auf der einen Seite steht SAP, die sämtliche Innovationen und neue Produkte nur noch in der Cloud ausliefert und damit die Kunden in Zugzwang bringt. Auf der anderen Seite stehen die SAP-Anwenderunternehmen, die zum einen zögern, ihre wettbewerbsvorteilbringenden Daten und Prozesse in die Cloud zu verlegen, andererseits um die gewohnte Flexibilität und Integration bangen.

Betrachten wir zunächst die technologische Antwort von SAP auf diese Bedenken: die SAP Business Technology Platform (BTP). Mit ihr verspricht SAP den Kunden weiterhin die Flexibilität, um Eigenentwicklungen und Systemerweiterungen in einem geschützten Umfeld zu realisieren:
„Nutzen Sie die Leistungsfähigkeit der SAP Business Technology Platform (BTP), um SAP-Anwendungen zu erweitern und zu personalisieren, Landschaften zu integrieren und zu vernetzen und es Fachanwendern zu ermöglichen, Prozesse und Erfahrungen miteinander zu verknüpfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und geschäftliche Innovationen voranzutreiben.“

Warum sind Clean-Core-Strategien wichtig?

Wenn es das Ziel von SAP ist, alle Kunden früher oder später in die Cloud zu bringen, scheint die Private Cloud (z.B. S/4HANA Cloud, private edition) eine Zwischenlösung (oder ein Schlupfloch) zu sein. Langfristig jedoch verfolgt SAP eine Public-Cloud-Strategie, um die Innovationen und neuen Produkte zeitnah und ohne Hindernisse – wie kundeneigenes Coding oder gar Modifikationen – ausliefern, das heißt verkaufen zu können.

Das kann man mögen oder nicht, aber langjährige Kunden mit entsprechender Erfahrung und Weitsicht wissen, dass sich Widerstand nicht lohnt. Entweder man weicht auf Non-SAP-Produkte aus oder stellt sich frühzeitig dieser Situation und erarbeitet Strategien, wie ein Clean Core erreicht werden kann. Dazu gehören konkrete Überlegungen, welche ABAP-Eigenentwicklungen tatsächlich noch benötigt werden („aufräumen“) und welche über eine SAP BTP-Lösung oder -App abgebildet werden können („redesign“). Beide Maßnahmen können heute schon begonnen und technisch umgesetzt werden.

Welche Vorteile bietet ein Clean Core?

Fast alle SAP-Anwenderunternehmen mit vielen Eigenentwicklungen scheuen in der Regel ein Release-Upgrade, da dieses mit hohen Aufwänden verbunden ist – sowohl aufgrund der technischen Prüfungen (SPAU, SPAM) als auch aufgrund der Testaufwände. Bei einem Clean Core hingegen fallen die technischen Prüfungen nahezu vollständig weg und die SAP-Standardprozesse lassen sich leicht durch ein Testautomatisierungstool abbilden. So tragen alle Bereinigungen zu einer Rationalisierung des SAP-Systembetriebs bei.  

Ein Beispiel dafür ist, dass durch die Reduzierung von Custom Code weniger Wartungsaufwände anfallen und damit Kosteneinsparungen möglich sind. Dabei fallen diese Aufwände bei Umschichtung des ABAP-Kundencodes auf Side-by-Side-Extensions in der BTP oder anderen Plattformen nicht vollständig weg, sondern verlagern sich auf moderne und einfacher wartbare Entwicklungsumgebungen.
 


Also bietet ein Clean Core nur Vorteile? Nicht ganz! Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass durch ausgelagerte Entwicklungen, Apps und genutzte neue (SAP-)Produkte die Zahl der Schnittstellen und Integrationsthemen wieder steigt.

Welches Vorgehen empfiehlt sich bei S/4HANA On-Premise?

Unsere aktuelle Wahrnehmung ist, dass die meisten (deutschen) Anwenderunternehmen zunächst einmal auf S/4HANA On-Premise migrieren wollen und nicht auf eine der S/4HANA Cloud Editionen (Private oder Public). Diese Entscheidung ist sicher situativ und individuell zu treffen. Doch auch bei – oder noch besser vor – einem Umstieg auf S/4HANA On-Premise empfiehlt es sich, den vorhandenen Custom Code kritisch zu beleuchten: Sind tatsächlich alle ABAP-Eigenentwicklungen erforderlich? Oder macht es mehr Sinn, einzelne – z.B. ältere oder gekapselte – Entwicklungen in Fiori-Apps in der BTP auszulagern?

Eine solche Auslagerung ermöglicht zum einen ein „Herantasten“ der eigenen Entwicklungsressourcen an die neuen Technologien, aber auch der Fachbereiche an die neuen Oberflächen. Jedes eigene Objekt weniger im SAP-Raum bringt langfristig eine Entlastung und bedeutet eine Investition in die Zukunft. Allerdings sind bei solchen Auslagerungen die Lizenzkosten zu berücksichtigen – auch die indirekte SAP-Nutzung kann Anwendern auf die Füße fallen.

Warum sollten SAP-Kunden auf jeden Fall handeln?

Wie diese Ausführungen zeigen, kennt eine immer komplexer werdende Welt keine einfachen Antworten. Dies gilt auch für das Thema Clean Core: Jeder Schritt dahin sollte gut überlegt und bewusst vollzogen werden. Relativ sicher aber ist, dass „keinen Schritt tun“ für Ihr Unternehmen einen Rückschritt bedeutet und künftig eher größere Herausforderungen nach sich zieht. Hinzu kommt: SAP stellt zahlreiche Tools für die Bereinigung von Custom Code zur Verfügung. Diese liefern immer einen guten ersten Überblick – beginnend mit dem Umfang der kundeneigenen Objekte.

Wie können Sie von unserer XEPTUM-Expertise profitieren?

Sie planen einen Umstieg auf SAP S/4HANA und sind sich unsicher, welche Auswirkungen dies auf Ihren ABAP-Kundencode hat? Nutzen Sie unsere Kompetenz und Expertise! Unser XEPTUM-Beratungsteam kennt alle Facetten rund um die Themen Clean Core und S/4HANA-Migration. Wir unterstützen Sie gerne bei der Konzeption und Umsetzung der richtigen Clean-Core-Strategie, um ihr SAP-System vor der Umstellung von unnötigem Custom Code zu befreien.